Die ersten Gedanken, wenn wir über Schweden reden? Ein heller Sommer sowie ein verdammt dunkler Winter, eine große Möbelhaus-Kette, eine Königsfamilie, Elche, viele Waldlandschaften und romantische Fjorde.
Aber studieren in Schweden? Daran denkt nicht unbedingt jeder, wobei allein im Jahr 2011 4.135 deutsche Studenten in diesem Land gezählt wurden.
Damit wir euch einen kleinen Einblick in das Studentenleben in Schweden geben können, freuen wir uns, dass Johanna Gruszka die Zeit für ein Interview mit uns findet.
Johanna kommt ursprünglich aus Vorarlberg und hat in Wien ihren Bachelor in Kommunikationswissenschaften und Spanisch absolviert. Seit diesem Wintersemester befindet sie sich in Schweden, genauer gesagt in Stockholm, und macht dort ihren Master in Media Management. Von dort aus informiert sie regelmäßig über ihren Blog, welche neuen Erfahrungen Schweden für sie bereit hält.
KG: Hallo Johanna und danke, dass du dir die Zeit für ein Interview nimmst! Du studierst seit dem WS 14/15 Media Management in Schweden. Andere hätten vielleicht erst einmal nach einem wärmeren Studienort Ausschau gehalten – stand für dich Schweden als Studienort von Anfang an fest?
Johanna: Nein, ganz und gar nicht. Ich wusste nur, dass ich für den Master woanders hin und eine neue Kultur kennenlernen wollte. Im Vordergrund stand für mich aber das Masterprogramm, ich wollte unbedingt etwas im Bereich digitale Medien machen. Das habe ich an der KTH, der technischen Uni in Stockholm, gefunden. Bei der finalen Entscheidung war aber auch wichtig, dass ich in Schweden als EU-Bürgerin keine Studiengebühren zahle, und die Uni sowie generell das schwedische Bildungssystem sehr gut sind.
KG: Auf deinem Blog berichtest du regelmäßig über deine persönlichen News aus Schweden. Unter anderem verweist du in einem Beitrag darauf, dass die Schweden ihren ganz eigenen Umgang mit Bargeld haben. Welche Umstellungen hat es bis jetzt noch für dich gegeben?
Johanna: Es sind viele kleine, alltägliche Dinge die gerade am Anfang eine große Umstellung bedeuten. Das beginnt beim wöchentlichen Lebensmitteleinkauf – welchen Käse kaufe ich, ist das jetzt entkoffeinierter Kaffee oder Espresso-Bohnen?
Ich koche jetzt viel öfter als früher, weil Essen gehen recht teuer ist. An der Uni gibt es jede Menge Mikrowellen, also bringe ich mein eigenes Essen mit und wärme es dort auf.
Einige Umstellungen gab es auch beim Ausgehen, das muss in Stockholm gut geplant werden: Oft muss man sich auf eine Gästeliste eintragen, um eingelassen zu werden oder verbilligten Eintritt zu kriegen. Die meisten Bars schließen um 1, viele Discos schon um 3 – generell geht man also früher weg.
Die Schweden sind alle sehr sportlich, und irgendwie wurde ich davon angesteckt, ich mache nun selbst wieder viel mehr Sport. An der Uni musste ich mich an die vielen Gruppenarbeiten gewöhnen, das gab es in meinem Bachelor fast nie.
KG: Was denkst du, welche Vorzüge hat das Studium in Schweden für dich?
Johanna: Auslandserfahrungen sind meiner Meinung nach generell sehr wertvoll und lehrreich, daran wächst man als Person. Von der schwedischen Mentalität kann man sich außerdem viel positives mitnehmen. Zum Beispiel habe ich hier das Gefühl, dass man seine eigenen Ideen einfacher realisieren kann. Kein Wunder, dass Stockholm ein Startup – Hub ist. Schweden ist ein äußerst innovatives Land und das hat auf mich bereits sehr inspirierend gewirkt. Und ich habe den Eindruck, dass die Schweden keine halben Sachen machen – wenn sie sich etwas vornehmen, dann machen sie es richtig. Das ist eine schöne Einstellung.
Schließlich bietet die Uni ein internationales Umfeld und auch das sehe ich als großen Vorteil, um verschiedene Mentalitäten kennenzulernen und wichtige Kontakte zu knüpfen.
KG: Das Studium im Ausland scheint zunächst wie ein großes Abenteuer zu sein, was absolut vorteilhaft klingt. Ist wirklich alles positiv, oder gibt es auch – abgesehen vom Heimweh – negative Aspekte?
Johanna: Viele negative Aspekte gab es für mich bisher nicht. Aber klar, besonders am Anfang kann es schwierig sein: Man muss sich seinen ganzen Freundes- und Bekanntenkreis neu aufbauen, das ist nicht einfach. In Stockholm hat mir sehr geholfen, dass es viele internationale Studenten gibt, die sich in der gleichen Situation befinden. So lernt man leichter Leute kennen.
Und natürlich wird man immer Dinge finden, die schlechter sind als anderswo. Schweden ist vergleichsweise relativ teuer, die Wohnungssuche in Stockholm gleicht oftmals einer ‚Mission Impossible’ und ja, im Winter wird’s früher dunkel. Aber man findet auch in Stockholm ‚Studentenpreise’ und dafür ist es im Sommer wieder länger hell.
KG: Was glaubst du, sollte jemand dementsprechend besonders berücksichtigen, wenn er plant im Ausland – oder gezielt in Schweden – zu studieren?
Johanna: Wie schon angemerkt ist in Stockholm besonders die Wohnungssuche sehr, sehr schwierig. Damit sollte man auf jeden Fall früh genug anfangen. Besonders hilfreich finde ich Insider-Tipps, also jemanden zu kontaktieren, der im jeweiligen Land studiert – sei es, um die beste Wohnungsbörse zu finden, oder auch um zu erfahren, wo es das billigste Bier der Stadt gibt und man am besten Sportkurse belegt.
Im Falle von Schweden findet man diese ‚Insider’ recht einfach: Da gibt es zum Beispiel Student Blogger wie mich, bei ‚Ask A KTH Student’ kann man ebenfalls Studenten verschiedener Studiengänge an meiner Uni kontaktieren, und dann sind da noch die Blogger von Study In Sweden, denen man jederzeit Fragen stellen kann.
KG: Hast du Tipps für Studierende, die ihren Abschluss im Ausland machen möchten? Zum Beispiel worauf sie besonders achten sollten und welche Vorbereitungen unbedingt zu treffen sind?
Johanna: Wie soeben schon gesagt, würde ich versuchen mit jemandem Kontakt aufzunehmen, der bereits in dem jeweiligen Land studiert. Das hat sich für mich als wahnsinnig hilfreich herausgestellt.
Ich würde versuchen so viel wie möglich vorab zu regeln: Passende Versicherung, Bank, Handyvertrag, wenn möglich Wohnung, falls notwendig auch Visum und ähnliches. Je mehr schon vorab geplant und erledigt wird, umso einfacher.
KG:Zu guter Letzt: Du hast bereits vor deinem Aufenthalt in Schweden mit 18 ein Jahr in Honduras sowie Zentral Amerika verbracht, jetzt bist du in Schweden – welche weiteren Pläne hast du für deine Zukunft nach dem Master? Gibt es ein „Wunschland“ in dem du arbeiten möchtest, oder sehnst du dich erst einmal zurück nach Österreich?
Johanna: So genau weiß ich das noch nicht, aber vorerst will ich noch nicht zurück nach Österreich, sondern ein bisschen länger im Ausland bleiben. Wenn ich einen guten Job (und eine Wohnung) in Stockholm finde, kann ich mir gut vorstellen, einige Zeit hier zu bleiben. Aber wie gesagt, ist noch alles offen.