„Ach Herr Müller, bevor Sie gehen: Da ist eine wichtige Kleinigkeit, die heute noch fertig werden muss!“ Die unbeliebtesten Sätze vom Vorgesetzten für jeden, der pünktlich Feierabend machen will. Während die Meisten resignieren, sagen nur Wenige etwas. Aber: Was hat es mit Überstunden auf sich?
Viele revoltieren innerlich, wenn der Arbeitgeber zusätzliche Aufgaben verteilt, die dann zu Überstunden führen. Welche Rechte letztlich in dem Bereich Überstunden und Mehrarbeit auf einen zukommen und wozu Arbeitnehmer verpflichtet sind, wissen sie jedoch nicht.
Zunächst zu der Unterscheidung zwischen Mehrarbeit und Überstunden:
Mehrarbeit bezeichnet die Arbeitszeit, die ein Arbeitnehmer über die gesetzlich vorgeschriebene Arbeitszeit arbeitet (siehe dazu Arbeitszeitgesetz (ArbZG)). Diese beschreibt eine Regelung von 8 Stunden pro Werktag beziehungsweise in Ausnahmefällen auch mal 10 Stunden pro Tag. Das heißt, da der Samstag in dieser Regelung als Werktag bezeichnet wird, dass 48 Stunden pro Woche an gesetzlich vorgeschriebener Arbeitszeit im Rahmen sind.
Leistet der Arbeitnehmer hingegen Arbeit, welche über die individuell festgehaltene Arbeitszeit in seinem persönlichen Beschäftigungsverhältnis hinausgeht, so handelt es sich um Überstunden. Die individuell geregelte Arbeitszeit im Arbeitsvertrag muss sich dabei nicht an die gesetzliche Arbeitszeit halten. In diesem Fall gilt es schließlich abzuwägen, in welchem Beschäftigungsverhältnis sich der jeweilige Arbeitnehmer befindet.
Überstunden liegen überdies hinaus nur dann vor, wenn der Arbeitgeber mit einer Leistung von diesen einverstanden ist. Das beinhaltet, dass der Arbeitgeber über die zusätzliche Arbeitsleistung von dem Arbeitnehmer informiert ist und innerhalb einer Absprache oder in einer stillen Übereinkunft, sein OK zu ihnen gegeben hat.
Sollte das nicht der Fall sein, so handelt es sich nicht um Überstunden, sondern um eine freiwillige Zusatzleistung seitens des Arbeitnehmers.
Es fällt bereits auf, dass sich Mehrarbeit und Überstunden in manchen Fällen überschneiden können. So kann beispielsweise eine Person, die in Teilzeit beschäftigt ist, eine Menge Überstunden leisten, ohne dabei eine Mehrarbeit laut Gesetz zu verrichten.
Vielen drängt sich folgend die nächste Frage auf: „Darf mein Chef mich denn einfach zu Überstunden verdonnern?“
Nein, ganz so einfach geht das nicht. Wer in diesem Punkt an das Weisungsrecht (§106 Gewerbeordnung) denkt, der muss ebenfalls enttäuscht werden. Dieses befugt nicht zu einer einseitigen Veränderung der Vertragsbedingungen. In diesen wird die eindeutige Arbeitszeit festgehalten und an diese Bedingungen hat sich sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer zu halten.
Jetzt kommt so langsam der Gedanke auf: Wenn Überstunden doch eigentlich gar nicht zugelassen sind, warum kommen allein die deutschen Arbeitnehmer auf 38,2 bezahlte Überstunden im Jahr pro Kopf (die unbezahlten Überstunden sind eine Dunkelziffer)?
Ganz einfach, da unter folgenden Umständen Überstunden vollkommen rechtens sind:
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- Einzelvereinbarungen:
Das meint eine Einigung mit dem Arbeitgeber, dass länger gearbeitet wird. Für diese genügt eine mündliche oder stillschweigende Vereinbarung.
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- Arbeitsvertrag:
Viele Verträge beinhalten, gerne in den AGBs, eine Überstundenklausel, welche die genaue Anzahl der maximal zu leistenden Überstunden impliziert. Sobald diese transparent, für den Arbeitnehmer einsichtig ist und diesen nicht „unangemessen benachteiligen“, ist das Leisten zusätzlicher Arbeitszeit vollkommen legitim.
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- Tarifvertrag:
Tarifverträge enthalten Regelungen darüber, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaß Überstunden angeordnet und geleistet werden dürfen.
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- Betriebsvereinbarungen:
Ist in dem jeweiligen Unternehmen ein Betriebsrat vorhanden, so hat dieser in puncto Überstunden ein Mitbestimmungsrecht nach §87 Absatz 1 Nr.3 BetrVG. Dieses Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats schließt allerdings weder das OK des Arbeitnehmers noch das OK des Arbeitgebers aus.
Allerdings gibt es auch Grenzen und Regelungen für Überstunden.
Diese sehen wie folgt aus:
Die tägliche Arbeitszeit kann vorübergehend um maximal 10 Stunden die Woche erhöht werden (ohne Pausenzeit), wenn in einem Ausgleichszeitraum von 6 Kalendermonaten, oder von 24 Wochen, die 8 Stunden pro Tag nicht überschritten werden. Siehe dazu §3 Satz 2 ArbZG.
Jetzt bleibt die Frage offen, wie Überstunden vergütet werden. Muss der Arbeitgeber Überstunden überhaupt vergüten? Gibt es eine geregelte Vergütung für Überstunden? Welchen Anspruch habe ich als Arbeitnehmer? Diese Frage und weitere beantworten wir in dem folgenden Artikel unserer neuen Reihe zu dem Thema Überstunden.