Versteckte Botschaften in Ihrem Arbeitszeugnis erkennen

Mann mit Lupe

Vielleicht liegt gerade dein Arbeitszeugnis neben dir und du beäugst es misstrauisch. Ist da wirklich alles so gut gemeint, wie es sich liest? Kann ich mich damit sorgenlos bewerben, ohne das die Personaler im „Geheimcode“ lesen, dass ich beispielsweise auf der Firmenfeier eine Flasche Rotwein habe mitgehen lassen?!

Unter die Lupe nehmen

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Das Internet und die Rechtsstreitigkeiten bieten viel Stoff zur Panik. Die Suche nach den vermeintlichen Doppeldeutigkeiten nimmt dabei Formen an, die der Entzifferung des „Bibelcodes“ ähneln.

Ein Arbeitszeugnis soll doch eigentlich kein Kreuzworträtsel für Personaler sein, aber vielleicht ist es das ja doch?

Erstmal: Keine Panik

Wenn du deinem Chef nicht traust oder dir tatsächlich etwas zu Schulden kommen lassen hast, dann wirst du hier gleich herausfinden können, ob sich im Zeugnis eine geheime Botschaft versteckt.

Geheime Botschaften sind nicht erlaubt; Wahrheiten unter Umständen schon. Wenn du also der schlimmste Mitarbeiter aller Zeiten warst und dein Arbeitgeber kann das Beweisen (durch Abmahnungen), dann lass dir gleich ein einfaches Zeugnis ausstellen und erspar dir Ärger (dazu hier mehr). Denn ein Arbeitgeber verbürgt sich mit seinen Aussagen über dich gegenüber deinem nächsten.

Merke: Formulierungen, die eine schlechte Note bescheinigen, sind nicht deshalb schon verboten

Die Basics

Zunächst sei dir bewusst, dass die Personaler alle Finessen der deutschen Sprache benutzen können, um Botschaften zu verstecken. Dazu gehören unter anderem:

• Verwendung des Passivs
• Doppelte Verneinungen
• Ironie (besonders schwierig zu erkennen)
• Auslassungen
• Umstellungen (Sätze und Wörter)
• Ausgiebige Formulierungen
• Doppeldeutige Adjektive

Viele Doppeldeutungen kommen daher, dass das Arbeitszeugnis wohlwollend sein soll (also bitte nett), die Arbeitgeber aber trotzdem schlechtes Verhalten mitteilen wollen. Dann werden böse Botschaften einfach nett verpackt, sodass der Arbeitnehmer nichts merkt- der nächste Personaler aber schon. Soll also eine andere Aussage gemacht werden, als die Formulierung hergibt, verstößt der Arbeitgeber gegen §109 Abs. 2 GewO.
Da sich Vieles erst mit Erfahrung erkennen lässt, soll jetzt dein Auge für solche Formulierungen geschult werden.

1. „Er verfügt über Fachwissen und hat ein gesundes Selbstvertrauen“

Wenn du versuchst, diesen Satz so negativ zu interpretieren, wie du kannst, dann wird dir schnell auffallen, dass hier etwas nicht stimmt.

„Er verfügt über Fachwissen“ Hier fehlt jegliche Beschreibung. Hätte der Arbeitnehmer über viel Fachwissen verfügt, dann würde das auch genannt werden. Ergo: Wenig Fachwissen

„Er hat ein gesundes Selbstvertrauen“ Wie kann sich im schlimmsten Fall einen Mitarbeiter vorgestellt werden, der zu selbstbewusst ist? Laut, aufdringlich, arrogant, eventuell sogar ungehorsam. Es heißt doch gesund und nicht ungesund? Hier handelt es sich um die nette, jedoch ironische, Verpackung.
Also hat der Arbeitnehmer wenig Fachwissen, ist aber laut und aufdringlich. Es könnte ebenso gut dort stehen:

Er hat nichts dahinter, aber eine große Klappe.

Ähnlich: „Er zeigte erfrischende Offenheit“, „Er vertrat seine Auffassung intensiv“, „Er war sehr von sich überzeugt“, „Er machte Verbesserungsvorschläge“
Besser: „Er war Selbstständig.“

2. „Er machte sich mit großem Eifer an die ihm übertragenen Aufgaben“

Isoliert betrachtet, wird dem Arbeitnehmer Fleiß attestiert. Das ist schon mal gut. Allerdings fehlt ein Ergebnis. Es gab also keinen Erfolg. Wenn jemand fleißig ist, aber nichts zustande bringt, ist das umso schlimmer. Das heißt hier nichts anderes als positiv formuliert:

Er hatte sich stets bemüht.

Ähnlich: „Er zeigte Verständnis für die Arbeit“, „Sie war mit Interesse bei der Sache“

3. „Er erledigte alle Aufgaben pflichtbewusst und ordnungsgemäß“

Wie ist jemand, der im negativen Sinn sehr pflichtbewusst ist? Engstirnig, einseitig, unflexibel, langweilig? Und jemand der ordnungsgemäß alles erledigt? Der macht alles nur nach Schema. Mit anderen Worten: Der Arbeitnehmer zeigte keine Eigeninitiative und war dabei sehr bürokratisch und penibel. Also heißt das:

Er erledigte seine Aufgaben wie ein programmierter Roboter.

Schwung und neue Ideen bringt dieser Mitarbeiter wohl nicht in den Arbeitsalltag.
Ähnlich: „Er erledigte seine Aufgaben ordentlich“, „Sie erledigte ihre Aufgaben mit großer Genauigkeit“ (heißt auch: Sie hat langsam gearbeitet.)
Richtig: Mit großer Sorgfalt, mit Planung, systematisch, Organisationstalent

4. „Den Kollegen gegenüber war er ein einfühlsamer Mitarbeiter“

Zunächst werden hier mit „den Kollegen gegenüber“ der Vorgesetzte oder Kunden ausgeschlossen. Aber was ist ein „einfühlsamer“ Mitarbeiter? Einfühlsamkeit bedeutet, dass man jemandem durchaus emotional näher gekommen ist. Vielleicht ein wenig „zu nah“. Hier wird nichts anderes gesagt als:

Der Mitarbeiter hat ständig mit den weiblichen Kollegen geflirtet.

„Umfassend einfühlsam“, heißt im Übrigen, dass gleichgeschlechtlicher sexueller Kontakt gesucht wurde.

5.„Er hat sich als umgänglicher Kollege erwiesen“

Jemanden, mit dem gut auszukommen ist, wird eher nicht als „umgänglich“ bezeichnet. Hier versteckt sich das genaue Gegenteil in der Botschaft:

Niemand mochte ihn als Kollegen.

Ähnlich: „Er war bereit Kontakt mit den Kollegen zu suchen (das hat allerdings nicht geklappt)“, „Sie wusste sich zu verkaufen“

6. „Sie erledigte ihre Aufgaben mit nicht unwesentlichem Erfolg“

Verneinungen gegenüber ist immer Misstrauen angebracht. Warum schreibt der Arbeitgeber nicht „mit wesentlichem“? Die Verneinung ist dazu da, um etwas verdreht auszudrücken: So toll war das gar nicht. Der Erfolg war also nicht wesentlich, aber auch nicht unbedingt unwesentlich.
Anders:

Ihr Erfolg war nichts Besonderes.

Ähnliche Verneinungen: „Sie war nicht unpünktlich“ (auf den letzten Drücker), „Sie war nicht unsorgfältig“

7. „Ihr Verhalten gegenüber Kollegen, Vorgesetzten und Kunden war stets einwandfrei“

Dies ist eine gängige Formulierung um gutes Sozialverhalten zu beschreiben. Der Teufel steckt allerdings im Detail. Es ist wichtig, dass die Personen in der Reihenfolge des Stellenwertes für den nächsten Arbeitgeber stehen. Wenn der Vorgesetzte nicht an erster Stelle steht, dann heißt das, dass es mit diesem Arbeitnehmer Probleme gab.

Er hat sich gegenüber den Vorgesetzten nicht gut Verhalten

Je weiter der Vorgesetzte nach hinten rückt, desto schlimmer. Und wird er gar nicht erwähnt, steht das für ein katastrophales Verhältnis.
Ähnlich: „Mit seinen Vorgesetzten kam er gut zurecht (läuft den Vorgesetzten hinterher, Ja-Sager)“, „Bei ihren Kollegen galt sie als tolerante Mitarbeiterin“
Richtig: gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden (Externen)

8.„Wir wünschen ihm alles Gute und Gesundheit“

Zum Geburtstag wird sich alles Gute und Gesundheit gewünscht, in einem Arbeitszeugnis kann das falsch interpretiert werden. Warum wird dem Arbeitnehmer viel Gesundheit gewünscht? Wohl, weil dieser ständig krank ist.

Er hat sehr oft krankgefeiert.

Ähnlich: Wir wünschen ihm alles Gute und Erfolg (= hier hatte er keinen; Es fehlt ein „weiterhin“).

9. „Sie trug durch ihre Geselligkeit zur Verbesserung des Betriebsklimas bei“

Dies ist eine bekannte Floskel, um zu sagen:

Sie kam betrunken zur Arbeit./Sie konsumierte Alkohol während der Arbeit.

Diese Botschaft hat sich vor allem durch ihren häufigen Gebrauch durchgesetzt, lässt sich allerdings auch grob herleiten. Gesellige Menschen sind oft gesprächig und selbstbewusst. Alkoholkonsum hat oft dieselben Auswirkungen. Wahrscheinlich haben sich die Kollegen dadurch gestört gefühlt, dann ist die „Verbesserung“ ironisch zu interpretieren. Vielleicht soll hier auch darauf angespielt werden, dass der betrunkene Mitarbeiter zumindest versucht haben wird, die anderen Kollegen zu erheitern.
Ähnlich: „Er stand stets voll hinter uns.“

Entspricht es allerdings der Wahrheit, dann ist es schwierig das Streichen der Botschaft beim Arbeitgeber durchzusetzen (wähle dann lieber ein einfaches Zeugnis).

10. „Er zeichnete sich besonders durch seine Pünktlichkeit aus“

Wenn zu lesen ist: „zeichnete sich besonders“ oder „besonders bemerkenswert“, dann soll hier die Aufmerksamkeit hingelenkt werden. Der Personaler erwartet an dieser Stelle besondere Eigenschaften, die nicht unbedingt vorausgesetzt werden. Pünktlichkeit ist jedoch eine Selbstverständlichkeit. Das heißt dann hier im Umkehrschluss:

Er war pünktlich, aber ansonsten nicht zu gebrauchen.

Ähnlich: „Besonderes bemerkenswert war ihre Fähigkeit die zugeteilten Aufgaben zeitnah zu bearbeiten.“

Bonus: „Er löste alle Aufgaben zu seinem und im Interesse der Firma“

Vielleicht kannst du diese Botschaft jetzt selbst entschlüsseln.

Versuch dich zu fragen, wie du eine geheime Botschaft verstecken würdest, wenn du einen unmöglichen Mitarbeiter beschreiben müsstest. Dann fällt es dir leichter, selbst die Doppeldeutungen zu verstehen. Personaler und Arbeitgeber sind auch nur Menschen, die dieses Kreuzworträtsel selbst erst Entziffern müssen, vor allem da es ständig neue Formulierungen gibt. Wenn du dir dann noch unsicher bist, kannst du über Helfer im Internet gehen, die dir zuverlässig dein Arbeitszeugnis entschlüsseln.

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