Die ersten Beiträge unserer Reihe zu dem Thema Überstunden sollten unlängst kleine und größere Missverständnisse geklärt haben. Räumen wir folglich mit den nächsten Missverständnissen auf: Auszubildende haben ebenso wie Arbeitnehmer Überstunden zu leisten.
Einige Gerüchte besagen, dass Auszubildende in ihren Lehrbetrieben gerne maßlos ausgenutzt und mit unnützen Aufgaben schikaniert werden. Etwas wie ein „pünktlicher Feierabend“ ist dabei sehr flexibel auszulegen – schließlich sollen sie doch einen Beruf erlernen und sich über jede zusätzliche Arbeit sowie dadurch gesammelte Erfahrungen freuen.
Fakt ist dabei, dass jeder dritte Azubi noch immer Überstunden macht – mehr oder minder freiwillig. Viele von ihnen sehen letztlich ihren künftigen Job beziehungsweise ihre künftige Karriere gefährdet, wenn sie die ein oder andere zusätzliche Stunde verweigern und sich dies negativ auf dem Arbeitszeugnis bemerkbar macht.
Es ist jedoch so, dass Überstunden von Auszubildenden eine freiwillige Leistung sind. Das begründet sich damit, dass die tarifvertraglich geregelte Ausbildungszeit so kalkuliert ist, dass sie für das Erlernen des Berufes genügt. Für etwaig zu leistende Überstunden gilt überdies, dass sich die darin geleistete Arbeit auf die Ausbildung beziehen muss und in jedem Fall ein Ausbilder dabei zu sein hat.
Um allerdings genauer zu klären, wie es sich mit der Arbeit und den Überstunden bei Auszubildenden verhält, muss zunächst zwischen minderjährigen und volljährigen Azubis unterschieden werden.
Für die U18-Fraktion der Lehrlinge gilt Folgendes:
- Zunächst einmal greift das Jugendschutzgesetz für Minderjährige. Im Bezug auf die Arbeitszeit bedeutet das eine max. 40-Stunden-Woche.
- Ausschlaggebend ist jedoch die Zeit, die im Ausbildungsvertrag festgehalten wird. Diese darf nicht über die 40 Stunden hinaus gehen.
- Es gilt: Berufsschulzeit entspricht Arbeitszeit. Die Anrechnung sieht wie folgt aus:
- 1 Schultag über 5 Stunden/Woche = ein Arbeitstag
- 2 Schultage über 5 Stunden/Woche = 1. Schultag = 1 Arbeitstag, 2. Schultag = Unterrichtszeit + Pausen + Weg zum Betrieb wird als Arbeitszeit angerechnet + alles unterhalb der Arbeitszeit muss nachgearbeitet werden.
- Blockunterricht: Mind. 25 Stunden werden als eine 40-Stunden-Woche angerechnet. Zusätzliche Leistungen im Betrieb, abgesehen von max. 2 Stunden betrieblicher Ausbildungsveranstaltung, sind nicht erlaubt.
- §21 Jugendarbeitsschutzgesetz besagt überdies hinaus, dass minderjährige Auszubildende lediglich in Ausnahmefällen, bei unaufschiebbaren Arbeiten und keinem zur Verfügung stehendem erwachsenen Beschäftigten Überstunden leisten dürfen.
- ABER: Es müssen immer 12 Stunden Freizeit zwischen zwei Arbeitstagen liegen. Zusätzlich muss jede anfallende Arbeitszeit über den regulären 8 Stunden in der darauf folgenden Woche abgebaut werden, es sei denn, es wird zusätzlich (mit Absprache) für einen freien Tag in den folgenden 5 Wochen vorgearbeitet.
Für volljährige Azubis gilt Folgendes:
- Der Aufenthalt in der Berufsschule wird, samt Pausen und Weg zur Arbeit, als Arbeitszeit angerechnet. Sobald diese Zeit nicht die betriebsübliche Arbeitszeit überschreitet und gleichzeitig die verbleibende Zeit (reg. Arbeitszeit – Zeit in der Berufsschule) nicht unterhalb von 20 Minuten liegt, ist es legitim und oft üblich für Lehrlinge noch nach der Berufsschule im Betrieb zu arbeiten.
- In dem Fall, dass die Zeit im Betrieb nach der Berufsschule unterhalb von 20 Minuten liegt und der Auszubildende nicht nach der Schule noch in den Betrieb geht, gilt, dass die ausgefallene Ausbildungszeit nicht nachgeholt werden muss.
- Des Weiteren gilt, laut Arbeitszeitgesetz, dass der Arbeitstag regulär 8 Stunden hat. Diese 8 Stunden können in Ausnahmefällen um 2 Stunden verlängert werden. Diese Regelung lehnt an §3 Satz 2 ArbZG, welcher bereits in dem ersten Beitrag dieser Reihe erläutert wurde.
Allgemein zu der Vergütung von Überstunden im Fall von Auszubildenden gilt:
Überstunden müssen entweder vergütet, oder durch Freizeit abgegolten werden (§17 Berufsbildungsgesetz). Der Richtwert für die Bezahlung von Überstunden wurde von der Handwerkskammer Düsseldorf mit einem Hundertstel der Vergütung der Ausbildung pro Stunde festgelegt.
Wichtig ist in jedem Fall, dass der Azubi seine Überstunden protokolliert und genau nachhalten kann. Ebenfalls sollte bei offen stehenden Überstunden, folglich weder bezahlten, noch abgegoltenen, der Ausbilder darüber schriftlich und/oder mündlich informiert werden. Schließlich kann je nach Betrieb und Anzahl an Auszubildenden auch ein Ausbilder einmal die Übersicht verlieren, wer wie viele Überstunden gemacht hat und welche davon noch offen sind.
Gleichwohl manch ein Lehrling jetzt denkt, durch Überstunden locker das Gehalt aufbessern zu können, gilt es sich der Risiken bewusst zu sein. Je nach Menge der überschrittenen Arbeitsstunden ist eine Verschlechterung der schulischen Leistung nicht selten der Fall. Wem das allerdings egal ist, der sei daran erinnert, dass die Unfallversicherung der Berufsgenossenschaft unter Umständen die Zahlung für Arbeitsunfälle während Überstunden verweigert.
Wer sich nun zu guter Letzt fragt, wie man sich gegen Überstunden wehren kann, dem seien noch drei Möglichkeiten mit auf den Weg gegeben:
- Nichts überstürzen und den Ausbilder/Arbeitgeber einmal darauf ansprechen. Dabei können ruhig die Risiken von Überstunden erwähnt werden.
- Sollte das Gespräch keine Besserung der Situation nach sich ziehen, den Rat bei der zuständigen Gewerkschaft oder einem Rechtsanwalt (speziell Arbeitsrecht) suchen.
- Sobald alle Versuche fehlschlagen, ist die letzte Möglichkeit das Unternehmen bei der Gewerbeaufsicht im Hinblick auf Missachtung des Jugendarbeitsschutz- und/oder Arbeitszeitgesetzes anzuzeigen.