„Bück dich hoch!“ lautet der Titel eines Songs von Deichkind. Es geht darum, auf humoristische Art und Weise zu zeigen, dass viele Menschen sich verbiegen und alles für die Arbeit aufgeben, um die Karriereleiter schneller hochzuklettern.
Genau in diesem Verhalten zeigt sich jedoch ein Knackpunkt: Firmen suchen Persönlichkeiten, keine Abziehbilder, die sich leicht ersetzen lassen. Auf der anderen Seite sollen genau diese Persönlichkeiten einen mustergültigen Lebenslauf vorweisen – keine Lücken, die besten Noten und ein angesehenes Praktikum nach dem anderen.
In einem Interview mit der Zeit verweist der Dipl. Psychologe sowie Karriereexperte Christoph Burger darauf, dass sich genau diese beiden Anforderungen nicht miteinander vereinen lassen – denn eine Persönlichkeit braucht nicht nur Zeit, um sich zu entwickeln, sondern erfordert ebenfalls drei Dinge: Anecken, auf die Schnauze fallen und rumhängen.
Woher nimmt Herr Burger eigentlich dieses Wissen?
Er wurde von der Uni Mannheim mit Karriereseminaren betraut und ist als Karriereberater im Raum Stuttgart tätig, als Premium-Karriereexperte im Netzwerk von Karriereexperten.com aufgenommen und ebenfalls ein erfolgreicher Autor von Ratgebern. Mehr über den Psychologen und Karriereberater, der von Berufstätigen das Zeigen des Charakters fordert, könnt ihr in dem folgenden Interview erfahren:
KG: Herr Burger, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview mit uns nehmen! Viele Menschen denken, dass Sie sich mit Ihrem Chef für den eigenen Erfolg gut stellen müssen und verbiegen sich im Job. Sie hingegen fordern, dass ein Jeder seine Persönlichkeit während der Arbeit beibehalten soll. Wie genau kann man sich das vorstellen?
Chr. Burger: Ich möchte dazu ermutigen, die eigenen Ecken und Kanten zu zeigen. Zum einen lebt die Gesellschaft davon: Wir alle profitieren. Zum anderen sprechen die Daten dafür, dass eine aufrechte Haltung auf mittlere Sicht für einen selber und die Karriere gut ist. Man darf also getrost zu sich stehen und braucht mittelfristig gesehen keine Nachteile für die Karriere zu befürchten. Dazu sollte man aber auch bestimmte Kniffe kennen und Tipps beherzigen. Für Frechheit wird man nicht befördert. Qualität setzt sich aber durch, auch wenn sie nicht immer bequem ist.
KG: Nun gibt es auf der anderen Seite auch diejenigen, die ganz klar sagen: Jeder muss Kompromisse eingehen, gerade während der Teamarbeit. Ansonsten kann die ganze Teamdynamik durcheinander gebracht werden – vor allem wenn besonders starke Charaktere aufeinander treffen. Was raten Sie Personen in einer solchen Situation?
Chr. Burger: Der Begriff „Teamfähigkeit“ wird meist falsch verstanden. Man darf diese Kompetenz nicht mit der Fähigkeit verwechseln, sich schnell wegzuducken, wenn es eng wird. Wirklich gute Teams sind heterogen zusammen gesetzt. Es gibt Reibung, Streit und am Ende steht ein Ergebnis, zu dem alle auf ihre Weise beigetragen haben. Und das deutlich besser ist, als es ein Einzelner vermocht hätte. Homogen besetzte und rundweg harmonische Teams sind dagegen ähnlich schlecht wie einer allein. Teamfähigkeit heißt also, dass man die Stärken des anderen nutzt und die Schwächen hinnimmt. Das schließt eine kompromissbereite Sprache mit ein. Aber auch das ehrliche Ringen um die Sache und das beste Ergebnis, d.h. auch die Bereitschaft zur Auseinandersetzung.
KG: Sie bieten als Berater gezielt ein Coaching im Bereich der Bewerbung an, damit Bewerber sich gekonnt selbst darstellen, ohne sich zu verbiegen. Gerade bei der Bewerbung haben jedoch viele (vor allem, wenn es um den Traumjob geht) Angst davor, durch ihren Charakter negativ aufzufallen. Wie gehen Sie mit genau diesen Befürchtungen um?
Chr. Burger: Vielleicht passt der Traumjob nicht zur Person? Vielleicht sind die Sorgen aber auch unbegründet – das muss man im Einzelfall sehen. Liest man Statements im Web, z. B. die zahlreichen Kommentare zu dem von Ihnen erwähnten Zeit-Interview, gewinnt man in der Tat den Eindruck, dass Menschen Angst davor haben, sich so zu geben, wie sie sind. Bei meinen Kunden erlebe ich das anders. Die stehen zu sich. Furcht wäre auch nicht angebracht. Aber sich in der Karriereberatung Gedanken über das beste Vorgehen z.B. für Personalgespräche zu machen, ist sinnvoll. Diplomatie ja, verbiegen nein. Strategische Kommunikation ja, den Chefs nach dem Mund reden nein. Möchte z. B. eine Führungskraft in Teilzeit gehen, überlegen wir, mit wem im Unternehmen sie in welcher Reihenfolge und unter welchem Focus sprechen sollte.
KG: Abgesehen von Ihrem Karrierecoaching um sich nicht für den Job zu verbiegen, bieten Sie ebenfalls ein „Training für Zornkönige“ an. Leicht reizbar zu sein ist auch ein Teil des Charakters einer Person – inwiefern passt dieses Training mit dem Beibehalten des eigentlichen Charakters zusammen?
Chr. Burger: Ärger wird häufig völlig falsch verstanden. Ärger ist eine Emotion und immer nützlich, denn er funktioniert wie ein Warnsignal. Er weist uns darauf hin, dass etwas nicht stimmt, was wir ändern können und stellt gleichzeitig Energie für die Veränderung bereit. Das ist immer gut und wichtig. Aggression ist dagegen eine Handlung, die nur manchmal hilft: Etwa dafür, Grenzen aufzuzeigen. Das müssen Frauen häufig deutlicher machen, weil wir Männer manchmal etwas schwer von Begriff sind …
KG: Auf Ihrer Internetseite sprechen Sie von einer „Kwerkarriere“. Dazu bieten Sie während Ihrer Karriereberatung die Karriereplanung und das Entwickeln einer Berufsstrategie an. Wie genau kann man sich Ihr Vorgehen vorstellen, wenn Sie auf jemanden treffen, dessen Persönlichkeit absolut nicht zu seinem Berufsbild passt?
Chr. Burger: Dass eine Persönlichkeit gar nicht zu ihrem Profil passt, habe ich selten erlebt. Eher geht es um die Erarbeitung der besten Variante für eine Person. In meinem Paketangebot „Karriereplanung mit Persönlichkeitscheck“ erarbeiten wir dann zum Beispiel, welche Ziele eher passen und welche eher nicht passen. Wir klären, welche Kompetenzen am Markt erfolgversprechend angeboten werden können und worauf dabei zu achten ist.
KG: Zu guter Letzt: Abgesehen von den extrovertierten Menschen gibt es auch solche, die eher schüchtern und zurückhaltend sind – ganz ohne sich zu verstellen. Welchen Ratschlag können Sie eben diesen Menschen geben, um sich im Berufsleben zu behaupten?
Chr. Burger: Besonders in diesem Fall muss die Bewerbung passen. Sie darf keine durchsetzungsstarke Persönlichkeit versprechen, wo es sie nicht gibt. Dafür werden andere Kompetenzen heraus gestellt, etwa Fachkompetenz oder der Blick für die Bedürfnisse der Kunden. Das hilft auch im Vorstellungsgespräch, weil die Gesprächspartner auf Unternehmensseite dann die richtige Erwartung haben. Wer sich dagegen in der Bewerbung verstellt, fällt auf die Nase. Besser fährt man, wenn man vorher genau klärt, wer man ist und was man wirklich anbieten kann. Dann findet sich auch viel leichter der dazu passende Arbeitsplatz.