Ich bin zu dick, zu dünn, zu unsportlich, zu undiszipliniert, zu blass, schlechter als andere….
Wir – die in der heutigen Gesellschaft lebenden Menschen – sind auf verschiedenen Ebenen unzufrieden mit uns und leben in ständiger Konkurrenz zu anderen. Aber warum? Wir unterliegen Prägungen sobald wir auf der Welt sind:
- Ständige Medienpräsenz scheinbar makelloser und perfekter Menschen
- Einfluss der Gesellschaft und uns nahestehender Personen: Jungs spielen nicht mit Puppen, du musst mit Autos spielen; du musst dir einen guten Job suchen und viel Geld verdienen; du musst es zu etwas bringen in deinem Leben, etc.
- Somit stellt man sich oftmals anders dar, um bei anderen besser anzukommen und es anderen, anstatt sich selbst recht zu machen
- Dabei solltest du dir bewusst machen: du kannst die Wertschätzung anderer kaum wahrnehmen, wenn du mit dir selbst unzufrieden bist
- Das wiederum führt zu einer falschen negativen Bewertung des Verhaltens unserer Mitmenschen
- Durch das ständige Nacheifern gesellschaftlicher Konventionen, achten wir zu wenig auf uns selbst und unsere eigentlichen Bedürfnisse – das kann dann wohl kaum als selbstbestimmtes Leben bezeichnet werden
Wenn von uns andauernd verlangt wird, in gewissen Dingen anders zu sein, als wir eigentlich sind, wie sollen wir dann lernen, uns selbst wirklich zu mögen? Und wenn wir uns selbst nicht mögen, wie sollen andere uns mögen?
Gerade im Berufsleben sind ein positives Selbstwertgefühl und ein selbstsicheres Auftreten von großer Bedeutung. Auch nur dann können wir unser Leistungsspektrum wirklich ausschöpfen und unser Bestes geben. Wenn du gerade einen Selbstwert-Durchhänger hast oder deine Selbstzweifel überwinden möchtest, kannst du in diesem Artikel nützliche Tipps und Fakten lesen, um dein Selbstwertgefühl zu stärken und damit auch in deinem Job richtig durchzustarten!
Wissenswertes zum Thema Selbstwertgefühl
Zunächst möchte ich ein paar wissenswerte Fakten zum Thema Selbstwert (engl. self-esteem) vorstellen. Wichtig zu wissen ist, dass der Selbstwert keine zeitlich stabile Eigenschaft ist. Es gibt Phasen, in welchen unser Selbstwert höher ist und es gibt wieder Phasen, in denen er etwas niedriger ist.
- Selbstwert = Selbstachtung = Selbstwertgefühl = Selbstvertrauen = die subjektive Bewertung der Summe der Annahmen über uns selbst
- Selbstbewusstsein ≠ Selbstwert; Selbstbewusstsein = sich seiner selbst bewusst sein (hat im Gegensatz zur umgangssprachlichen Verwendung nichts mit einer positiven oder negativen Bewertung von sich selbst zu tun, es geht rein um das Bewusstsein für sein „Selbst“)
Das Selbstwertgefühl ist
- Das Vertrauen auf unsere Fähigkeit zu denken und mit den grundlegenden Herausforderungen des Lebens fertig zu werden.
und
- Das Vertrauen auf unser Recht, erfolgreich und glücklich zu sein. Das Vertrauen auf das Gefühl, es wert zu sein, es zu verdienen und einen Anspruch darauf zu haben, unsere Bedürfnisse und Wünsche geltend zu machen. Außerdem das Vertrauen darauf, unsere Wertvorstellungen zu verwirklichen und die Früchte unserer Bemühungen zu genießen.
„Manchmal wird die Frage gestellt: »Kann man zu viel Selbstwertgefühl haben?« Nein, kann man nicht. Ebenso wenig wie man zu gesund sein kann oder ein zu starkes Immunsystem haben kann. Das Selbstwertgefühl wird gelegentlich mit Angeben oder großtuerischem Gehabe oder Arroganz verwechselt. Das sind allerdings Eigenschaften, die nicht zu viel, sondern zu wenig Selbstwertgefühl reflektieren. Sie reflektieren ein mangelndes Selbstwertgefühl. Personen mit einem hohen Selbstwertgefühl haben nicht den Drang, sich anderen gegenüber als überlegen darzustellen.“ (Dr. Nathaniel Branden)
Die 6 Säulen des Selbstwertgefühls
Nun möchte ich dir die wichtigsten Aspekte vorstellen, die von Bedeutung für ein positives Selbstwertgefühl sind und mit Hilfe derer, auch du deinen Selbstwert ein wenig auf Vordermann bringen kannst. Was ist also das Ziel?
Eine wertschätzende Haltung gegenüber der eigenen Person (mit den individuellen Stärken und Schwächen) und den eigenen Bedürfnissen einzunehmen.
Ein gutes und gängiges Modell für einen gesunden Selbstwert sind die 6 Säulen des Selbstwertgefühls nach Dr. Nathaniel Branden. Falls auch du gerne etwas für deinen Selbstwert tun möchtest, ist das ein praktischer und einfach anwendbarer Leitfaden.
1. Bewusster Leben – Achtsamkeit üben
Mache dich deiner Gefühle, Handlungen und Absichten BEWUSST! Hinterfrage und betrachte dein Verhalten jedes Mal aufs Neue, konsequent IMMER. Was tue ich gerade? Warum tue ich das gerade? Ist das sinnvoll? Du kannst deine Gedanken dazu auch regelmäßig aufschreiben, beispielsweise in eine Art Selbstwert-Tagebuch.
Verdränge nichts! Dinge zu verdrängen macht sie weder nicht existent, noch kann man sie dadurch ändern. Nur, wenn du ehrlich ZU DIR SELBST bist kannst du auf Probleme reagieren und sinnvolle Lösungen finden.
Erkenne und akzeptiere die Realität! Wer in seiner eigenen kleinen Welt lebt und dadurch die Realität nicht mehr richtig auf dem Schirm hat, kann auf diese auch nicht reagieren.
2. Selbstakzeptanz
Akzeptanz hat – im Gegensatz zu der weitverbreiteten Fehleinschätzung – nichts mit Kapitulation oder einer Niederlage zu tun. Akzeptanz heißt einfach nur eine Person oder Situation so hinzunehmen, wie sie eben ist.
„Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“ (Reinhold Niebuhr)
- Kein Mensch ist perfekt
- Du hast nur begrenzten Einfluss auf das Verhalten anderer Personen
- Du hast nur begrenzten Einfluss auf das Auftreten aversiver Emotionen (wie z.B. Wut, Ekel oder Angst). Die Emotion ist einfach da und das musst du akzeptieren
- Mangelnde Akzeptanz führt zu gedanklicher Abwertung und Schuldgefühlen
- Menschen, die mit sich selbst im Reinen sind, werden eher von anderen wertgeschätzt
3. Ein eigenverantwortliches Leben führen
- DU bist verantwortlich dafür, was in deinem Leben passiert (zumindest der Hauptverantwortliche). NICHT die Gesellschaft, NICHT deine Eltern, NICHT dein Chef und auch NICHT deine Lehrer!
- DU bist der Autor deines Lebens und nur DU kannst dein Verhalten bestimmen, und dafür musst auch DU die Verantwortung übernehmen
- Du sollst in diesem Schritt lernen, das Gefühl zu entwickeln, dass nur DU SELBST dein Leben steuerst und kontrollierst
- Da wären wir wieder bei Nummer 1): Achtsamkeit! Wenn du dich selbst ertappst, andere verantwortlich zu machen, übernimm BEWUSST (gedanklich) die Verantwortung
4. Selbstsicheres Behaupten
Lerne, dich selbst zu führen. Sonst tun es andere!
Vertrete deine Meinung und deine Wertvorstellungen konsequent! Denn zwischen Sturheit und dem konsequenten Vertreten der eigenen Meinung ist ein großer Unterschied.
Stelle dir die folgenden Fragen:
- Sage ich etwas, wenn sich jemand an der Kasse vordrängelt?
- Stelle ich mich Konflikten?
- Habe ich eine eigene Meinung und stehe in Diskussionen auch dazu?
- Lasse ich schlechtes Essen wieder in die Küche zurück gehen?
Wenn du einige dieser oder ähnliche Fragen nun ehrlich mit „Nein“ beantworten würdest, solltest du genau solche Situationen in Zukunft nutzen, um dein selbstsicheres Behaupten zu üben und besser darin zu werden.
5. Ein zielgerichtetes Leben führen
- Was sind meine Ziele?
- Wie erreiche ich meine Ziele?
- Wie bleibe ich dran?
Lebensziele haben eine zentrale Bedeutung bei der Lebensführung – sie verleihen einen höheren Sinn.
Falls du dir über deine Lebensziele noch nicht so ganz im Klaren bist, könntest du beispielsweise eine Bucket-List erstellen. Bei einer Bucket-List schreibst du all die Dinge auf, die du gerne noch erleben würdest, bevor du stirbst. Diese Ziele sollten natürlich realistisch sein und dadurch motivierend auf dich wirken. Wenn nur Dinge auf deiner Liste stehen, die nahezu unerreichbar sind, passiert genau das Gegenteil – Frustration macht sich breit.
Die meisten Menschen schreiben auf ihre Bucket-List Dinge wie Fallschirmspringen, Fernreisen oder irgendwann ein eigenes Boot zu besitzen. Dabei werden kleinere, oftmals viel wichtigere Dinge gerne mal vergessen.
Was man vielleicht irgendwann bereut
Die Australierin Bonnie Ware begleitete als Krankenschwester viele Menschen in den Tod und hat ein Buch darüber geschrieben. Dort zeigt sie auf, welche Dinge die Menschen kurz vor ihrem Tod am meisten bereuen:
- Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mein eigenes Leben zu leben
- Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet
- Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, meine Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken
- Ich wünschte, ich hätte den Kontakt zu meinen Freunden aufrecht erhalten
- Ich wünschte, ich hätte mir erlaubt glücklicher zu sein
Wie du sehen kannst, besteht zwischen diesen Äußerungen und vielen oben bereits genannten Punkten bezüglich deines Selbstwertgefühls ein starker Zusammenhang. Aus diesem Grund ist es auch so wichtig für uns, einen positiven Selbstwert zu haben und somit auch unser Leben unbeschwerter genießen zu können.
Vielleicht können die folgenden Fragen eine gute Anregung für deine persönliche Bucket-List sein:
- Welche Art von Beziehung möchte ich in meinem Leben noch führen? Die „große Liebe“? Eine beste Freundschaft?
- Möchte ich noch etwas Neues lernen?
- Möchte ich etwas auf dieser Welt hinterlassen? (z.B. ein Buch schreiben)
- Möchte ich anderen helfen? (z.B. ehrenamtliches Engagement, Spenden,…)
- Was möchte ich von dieser Welt noch sehen?
- Welche Sozialkontakte möchte ich mir langfristig erhalten?
- Möchte ich kaputte Beziehungen ins Reine bringen?
6. Persönliche Integrität – die eigenen Werte kennen und leben
Persönliche Integrität = die Übereinstimmung des persönlichen Wertesystems mit dem eigenen Handeln.
- Authentisch Leben
- Zu sich selbst stehen/sich selbst treu sein
- An den eigenen Werten festhalten
Integrität ist ein vielschichtiger Begriff, einerseits bist du selbst für deine Integrität verantwortlich. Andererseits hängt dein Wertesystem natürlich auch von anderen bzw. von der Gesellschaft ab, in der du lebst.
Fazit
Das Selbstwertgefühl ist sehr wichtig für unsere Lebensführung. Allerdings führt es nicht automatisch zu einem glücklichen und erfüllten Leben. Etwas komplexer ist die ganze Sache dann natürlich schon. Beispielsweise ist das Selbstwertgefühl zwar wichtig für unser Leistungsstreben, hier spielen aber auch andere Faktoren, wie die Leistungsmotivation, das Energieniveau oder die Intelligenz eine Rolle. Zusammenfassend kann man sagen, dass ein positives Selbstwertgefühl Voraussetzung für unser Wohlbefinden ist, aber eben nicht alleinig.
Ein positiver Selbstwert bildet alleine keine Garantie für Glück und Zufriedenheit. Allerdings ist unser Leben mit einem sehr geringen Selbstwertgefühl dann meist von Angst und Frustration geprägt. Ich hoffe, ich konnte einige von euch dazu anregen, sich einfach etwas mehr mit sich selbst auseinanderzusetzen, auf sich selbst zu achten und ein besseres Bewusstsein für euer Selbst schaffen.